Anfallsarten
Epileptische Anfälle bei Hirtumorpatienten
Epileptische Anfälle als Symptome einer zerebralen Tumorerkrankung sind generell fokale Anfälle, es können aber auch einfach-fokale Anfälle oder als fokal beginnende, sekundär generalisierte Grand mal („großes Übel“) mit Bewusstseinsverlust auftreten.
Einfach-fokale Anfälle sind z.B. motorische Zuckungen oder Kribbeln einer Extremität, Geschmacks- oder Geruchswahrnehmungen oder ein merkwürdiges Gefühl in der Magengrube. Alle diese fokalen Symptome können eine Ausbreitung der epileptischen Aktivität im Gehirn einleiten und in einen komplex-fokalen oder gar einen generalisierten Anfall münden.
Komplex-fokale Anfälle kommen überwiegend bei einer Lokalisation des Tumors im Schläfenlappen vor. Diese Anfälle haben häufig ein typisches klinisches Erscheinungsbild: Betroffene Patienten können zunächst ein merkwürdiges Gefühl in der Bauchregion empfinden (epigastrische Aura), eine Geruchswahrnehmung haben (olfaktorische Aura) oder vegetative Symptome (z.B. Herzrasen) spüren. Dann können Schmatz-, Kau- oder Schluckbewegungen (orale Automatismen) auftreten.
Mitunter führen Betroffene stereotype, wiederkehrende, unsinnige Handlungen durch und zeigen dabei unzureichende oder fehlende Reaktionsfähigkeit auf Umgebungsreize. Für diese komplex-fokalen Anfälle besteht dann häufig eine zumindest partielle Gedächtnislücke, während des Anfalls wird die Umgebung als merkwürdig fremd oder vertraut erlebt, das Zeitempfinden kann verändert sein. Diese Zeichen sind Ausdruck einer Bewusstseinsstörung. Die Anfälle münden jedoch nicht in einen Bewusstseinsverlust.
Bei einem Hirntumorpatienten können auch episodisch Zustände auftreten, die mit einer Verwirrtheit, mit inadäquaten Reaktionen auf die Umgebung, verlangsamten Denk- und Handlungsabläufen und offensichtlich unsinnigen Handlungen einhergehen können. Bei solchen episodischen „Dämmerzuständen“ ist immer an einen Status komplex-fokaler Anfälle zu denken. Hierbei handelt es sich um die kontinuierliche Abfolge von komplex-fokalen Anfällen, die für den klinisch nicht Geübten diagnostisch schwer einzuschätzen sind.
Ein solcher nicht-konvulsiver (nicht krampfartiger) Status, bzw. geordneter Dämmerzustand, wird häufig durch einen Tumor im Schläfenlappen ausgelöst. Die einzige Möglichkeit, einen solchen Status komplex-fokaler Anfälle zu diagnostizieren, ist das EEG. Bei einer EEG-Registrierung in diesem Zustand zeigen sich dann epilepsietypische Potenziale im Hirnstromkurvenbild, die ihren Ursprung im betroffenen Temporallappen haben..
Wenn sich die hirnelektrische Aktivität eines fokalen Anfalls auf das gesamte Gehirn ausbreitet, kann dies zu einen sogenannten sekundären generalisierten Anfall (Grand mal) führen. Dieser zeigt sich häufig durch rhythmische Zuckungen der Arme und Beine. Der Patient ist während des Anfalls bewusstlos und nimmt den großen Anfall an sich daher weder wahr, noch kann er sich in der Regel später daran erinnern. Ein Anfall dauert meist nur wenige Minuten, danach erlangt der Patient langsam das Bewusstsein wieder, oft in einem vorerst verwirrten Zustand. Häufig fällt er dann in einen tiefen Nachschlaf, der wenige Minuten bis einige Stunden andauern kann..
Dauern die Krampfanfälle deutlich länger an, ohne dass der Patient zwischendurch das Bewusstsein erlangt, könnte ein Grand-mal-Status vorliegen, also eine Serie der generalisierten Anfälle. Dieser Zustand kann lebensgefährlich werden und gehört in die Hände eines Notfallmediziners.
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